Ausstellung einer karpologischen Sammlung

Kalter Kaffee oder Up-to-date?


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Karpologische Sammlung

Die Karpologie ist die Disziplin der klassischen Botanik, die sich mit den Früchten der Pflanzen beschäftigt. Die Frucht wiederum ist kurz gesagt die Blüte im Zustand der Samenreife. Sie setzt sich aus der Gesamtheit der Organe zusammen, die aus der Blüte hervorgehen und ihre Aufgabe ist es, die Samen der Pflanze zum Umhüllen, zu schützen und bei der Ausbreitung zu helfen (Zitat).

Nun erscheint es im Zeitalter der genetischen Forschung vielleicht altmodisch, die Ausstellung einer karpologischen Sammlung anzukündigen. Doch im Anbetracht der wichtigen Aufgaben, die die Frucht einer Pflanze erfüllt und der ökonomischen Bedeutung die manche Früchte haben (Reis, Mais, Soja, Getreide, alle Arten
von Obst), erscheint es durchaus sinnvoll interessierten Besuchern eines Botanischen Gartens die unheimliche Diversität, die Bedeutung und die Funktionsweise verschiedener ausgewählter Früchte und Fruchttypen vorzustellen.

Zu diesem Zweck stellt der Botanische Garten Osnabrück seit Mitte des Monats Mai 2007 einen Teil seiner karpologischen Sammlung, die zurzeit die Früchte von über 900 verschiedenen heimischen und exotischen Pflanzen umfasst im Foyer des Verwaltungsgebäudes aus. Hierbei sind die diversen Exponate nach unterschiedlichen Kriterien sortiert. Während ein Teil der Ausstellung den botanischen Fruchttypen gewidmet ist, sind in einem anderen Bereich einige der im
Pflanzenreich realisierten Ausbreitungsmechanismen dokumentiert. Ein dritter Teil der Ausstellung behandelt Früchte im Zusammenhang mit Ernährung und Medizin. Des Weiteren sind einige besonders schöne, oder besonders beeindruckende Stücke, wie die Riesenhülse – Entada phaseoloides,oder die Früchte des Heuschreckenbaumes – Hymenaea coubaril ausgestellt.

Fruchttypen

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Die Wissenschaft klassifiziert Früchte anders, als das in der Umgangssprache üblich ist. Zwar gibt es viele Überlappungen in den Begrifflichkeiten, doch meint der Botaniker häufig etwas anderes, als der nicht Eingeweihte versteht. So ist die Gurke, ebenso wie der Kürbis im botanischen Sinne eine Beere, die Erdbeere und die Himbeere sind Sammelsteinfrüchte und Wal- und Kokosnuss sind eigentlich Steinfrüchte. Die Ausstellung widmet jedem der wichtigen botanischen Fruchttypen ein Fach in der Vitrine. Heimische und exotische Stellvertreter von Hülse, Schote, Balgfrucht, Nussfrucht, Steinfrucht, Karyopse, Achäne, Beere, Kapsel und Zapfen sind ausgestellt. Zusätzlich ist der Aufbau jedes Fruchttyps schematisch dargestellt.

Ausbreitungsmechanismen

Ebenso, wie bei den Tieren, ist der oberste Zweck jeder Pflanze die Arterhaltung. Um sich dauerhaft zu erhalten ist es notwendig, dass neue Lebensräume erschlossen werden. Da die Pflanze selbst aber unbeweglich ist muss die Frucht diese Aufgabe übernehmen. Im Laufe der Evolution haben sich im Pflanzenreich verschiedene Strategien entwickelt.

Die Diasporen vieler Pflanzen werden durch Tiere ausgebreitet (Zoochorie). Neben der Endozoochorie, bei der die Früchte und Samen gefressen und im keimfähigen Zustand wieder ausgeschieden werden, kommt die Exozoochorie vor. Die Früchte von exozoochor verbreiteten Pflanzen haben Kleb- oder Klettvorrichtungen ausgebildet, mit denen sie im Fell von Tieren verankert werden, bis sie an anderer Stelle wieder abfallen. Unter anderem sind die Klettsamen der Gewöhnlichen Hundszunge – Cynoglossum officinale L. und des Kletten Labkrauts – Galium aparine L. Teil der Ausstellung. Ein Spezialfall der Zoochorie
ist die Myrmekochorie, oder die Ausbreitung durch Ameisen. Mache Pflanzen produzieren zu diesem Zweck ein fettreiches Körperchen, das Elaiosom, das von den Ameisen als willkommene Abwechslung zu ihrer Nahrung gefressen wird. Bevor sie aber das Elaiosom vom Samen abtrennen tragen die Ameisen beides zu ihrem Haufen. So kommt es, dass in unmittelbarer Nähe zu Ameisenhaufen eine Vielzahl an Pflanzen zu finden ist, die sonst in der näheren Umgebung nicht zu finden sind.

Neben der Aktivität von Tieren werden auch die abiotischen Faktoren Wind und Wasser von den Pflanzen zur Ausbreitung ihrer Diasporen genutzt. Unter Hydrochorie versteht man die Ausbreitung pflanzlicher Früchte und Samen durch Wasser. Typische hydrochore Pflanzen, wie der Riesenbärenklau  – Heracleum mantegazzianum, oder auch die Kokosnuss – Cocos nucifera, wachsen meist in Gewässernähe. Die Früchte fallen nach der Reife ins Wasser und werden weggetragen, um an anderer Stelle wieder angespült zu werden und dort zu keimen.

Die Ballochorie ist die Ausbreitung pflanzlicher Diasporen durch Schleudermechanismen. Man unterscheidet „Saftschleuderer“ und „Austrocknungsschleuderer“. Während bei den „Saftschleuderern“ die beteiligten Gewebe lebendig sind und die Energie zum Ausschleudern der Samen aus dem Turgordruck gewonnen wird, trocknen bei den „Austrocknungsschleuderern“ anatomisch unterschiedlich gebaute Gewebe aus, wodurch es zu Spannungen kommt.Diese werden entladen, wenn Sollbruchstellen reißen. Die daraus resultierende Energie wird zum Wegschleudern der Samen verwendet.

Bild "Presse:Vitrine_Anemochorie.jpg"Pflanzen, die anemochor ausgebreitet werden, machen sich den Wind zunutze. Die Früchte dieser Gewächse haben oft haarige oder häutige Anhänge, die die Oberfläche vergrößern und damit das Flugverhalten verbessern. Manche Arten haben so kleine Samen, dass diese allein sehr gut fliegen. Die bekanntesten heimischen vom Wind ausgebreiteten Arten sind sicherlich der Löwenzahn – Taraxacum officinalis und die verschiedenen Ahorn-Arten. Es gibt aber viele weitere heimische und exotische Pflanzen die den Wind nutzen. Neben den zuvor beschriebenen Mechanismen, gibt es auch Pflanzen deren Früchte blasig aufgetrieben sind, wodurch ebenfalls das Flugverhalten verbessert wird. Bei Pflanzen,
wie dem Schlafmohn – Papaver somnifera werden die samentragenden durch den Wind geschüttelt, wodurch die Samen ausgestreut werden. Eine Besonderheit stellen die Stepperoller dar. Bei ihnen ist die nahezu die gesamte Pflanze die ausbreitende Einheit. Ein typisches Beispiel ist die Gemeine Sichelmöhre – Falcaria vulgaris Bernh.. Hier bricht die ganze Pflanze kurz über der Wurzel ab. Die oberirdischen Pflanzenteile rollen über ebene Flächen hinweg, wobei die Früchte gleichmäßig verteilt werden.

Neophyten – Bereicherung und großes Problem

Wer freut sich nicht, wenn er eine schöne Pflanze mit großen rosa-farbenen Blüten sieht? Auch der Botaniker tut dies. Handelt es sich aber um das Drüsige Springkraut – Impatiens glandulifera, dass das Ufer eines weiteren Baches bevölkert hat sieht die Sache anders aus. Ähnliches gilt für die gelbe Pracht der Kanadischen Goldrute – Solidago canadensis L., oder das weiße Blütenmeer der Robinie – Robinia pseudoacacia L.. Auch diesen würde der Bewunderer der heimischen Flora lieber mit Axt und Sense, als mit dem Fotoapparat zu Leibe rücken. Bei allen zuvor genannten Arten handelt es sich um invasive Einwanderer aus anderen Ländern, die bewusst oder versehentlich eingeschleppt wurden, und sich bei uns etablieren konnten. Einerseits bereichern dieser farbenfrohen Gewächse das Bild der heimischen Flora. Andererseits verdrängen sie viele heimische Pflanzen, die konkurrenzschwächer sind. Im Endeffekt führen Neophyten also häufig zu einem Diversitätsverlust. Da sich niemand vor diesem Problem verschließen kann, haben die Neophyten auch ein Fach dieser Ausstellung „erfolgreich besiedelt“.

Früchte in der Ernährung und der Medizin

Sowohl als Grundnahrungsmittel, als auch als besonderer, exotischer Snack spielen Früchte eine wichtige Rolle. In der Ausstellung finden beide Aspekte Beachtung. Einige der wichtigsten Getreide-Arten, wie Weizen, Roggen und Mais, aber auch verschiedene Zitrusfrüchte und andere Exoten, wie die Sternfrucht – Averrhoa carambola L. oder die Frucht des Kakaobaum – Theobroma cacao L. werden anschaulich präsentiert. Daneben sind einige der wichtigsten Gewürze zu finden.

Da die Naturmedizin in den letzten Jahren einen großen Aufschwung erlebt, erlangen auch die verschiedenen Arzneipflanzen wieder neue Bedeutung. Auch hier spielen in vielen Fällen die Früchte eine wichtige Rolle. Oft sind die Wirkstoffe grade hier besonders konzentriert. Prominente Beispiele sind die Samen vom Schwarzkümmel – Nigella sativa, oder dem Schlafmohn – Papaver somniferum.

In der Hoffung ihnen die Bedeutung karpologischer Sammlungen auch in der heutigen, von genetischen Untersuchungen geprägten Zeit nahegebracht
zu haben, lade ich sie hiermit herzlich ein, die Ausstellung zu begutachten und sich ihre eigene Meinung zu bilden.

Martin Husemann

Zusätzlich zu der Ausstellung ist ein Beiheft erschienen. Dieses stellt dem interessierten Besucher weitere Informationen zu den übergeordneten Themen und Detailangaben zu einzelnen ausgewählten Exemplaren zur Verfügung. Das Heft kann für einen geringen Umkostenbeitrag im Sekretariat des Botanischen Gartens Osnabrück erworben werden.
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